Mit Minimalismus zu besseren Produkten | KW 6/23
Unsere Business Club-Learnings der Woche für dich zusammengefasst
“the burden of complexity and abundance, van Gogh style“
- KI-generiertes Bild von Dall-E 2
🙋♀️ Das passiert gerade im Club
Beim Business Club stehen wir gerade der Verführung gegenüber, zu viele Dinge auf einmal zu wollen – egal ob bei den Funktionen selbst oder deren Umsetzung. Deshalb haben wir uns eine Minimalismus-Kur verschrieben. Und wie es mit der selektiven Wahrnehmung so ist, fällt einem dann auf, wo sich überall Minimalismus einbringen lässt. Weil ist dir mal aufgefallen, wo wir alle eigentlich zum Höher-Schneller-Weiter neigen?
🥵 Komplexität und Überfluss belasten uns alle
Hier mal eine kleine Auswahl an Komplexität und Überfluss in unser aller Leben:
🧸 Besitz: Ganz ehrlich, nichts hat mich zuletzt so glücklich gemacht, wie ungenutzten Besitz zu veräußern, verschenken oder entsorgen und gleichzeitig ein Ordnungssystem in mein Zuhause zu bringen. Marie Kondo und ihre Leitfrage “Does it spark joy?” lassen grüßen. Was keine Freude stiftet oder kaum genutzt wird, darf gehen. Wir haben zuhause daher massig aussortiert und durch wenige hochwertige Dinge ersetzt, an denen wir wirklich Freude haben und die wir nutzen.
👕 Kleidung: Ein Bereich von Besitz sei hier noch herausgehoben – ist dir mal aufgefallen, wie viel Kleidung wir alle besitzen? Ich finde das halbjährliche Rattenrennen der neuen Kollektionen nur noch traurig und versuche mich auch hier auf Love Pieces zu beschränken. Und das sind mittlerweile oft ganz simple Sachen.
💸 Geld: Als ich mit meiner Frau Mareike bei unser Notarin Karin Arnold war, um unsere gemeinsame Holding zu gründen, schaute sie ganz irritiert, als Karin meinte, dass viel Geld eine Last sei. “Aber warum?”, fragte Mareike und Karin erklärte es ganz anschaulich: Die Leute würden anfangen darüber nachzudenken, wie sie das Geld möglichst steuerfrei zu ihren Kindern kriegten, was sie tun müssten, dass es bis dahin noch mehr wird und gleichzeitig das Risiko besteht, dass ihre Kinder nie wirklich Ambitionen im Leben entwickeln, wenn sie weich fallen.
🏃♀️Leistung: Neulich habe ich einen LinkedIn-Post von Verena Pausder gelesen, in dem sie schrieb, dass sie 40 Tage off war. Und diese 6 Wochen hat sie jeden Tag Sport gemacht und 14 Bücher gelesen. Und ich so: WTF?! Also versteh mich nicht falsch, ich habe Verena total gerne und freue mich mit ihr, aber das ist ja Höchstleistung in der Pause von den Höchstleistungen. Wie kommt es, dass wir alle immer so viel schaffen wollen?
🍎 Essen: Wir alle kennen glaube ich, wie wir uns die Teller voll hauen und uns erst so richtig gut fühlen, wenn der Bauch voll wirkt. Anastasia Zampounidis hat mir in unserem Podcast erstmalig von Happy Eating erzählt und ich unabhängig davon habe ich irgendwann begonnen, besser, weniger und langsamer zu essen.
📊 KPI: Ist dir mal aufgefallen, dass Gründer:innen auf Events immer drei Metriken vergleichen? Wer hat bei dir wie viel investiert? Wie viele Mitarbeitende hast du? Wie viel Umsatz macht ihr? Nichts davon sagt doch etwas über die Qualität einer Firma aus. Nur mal eine kleine Auswahl, welche Fragen ich zum Beispiel viel spannender finde: Welches Problem löst du? Wie viele zufriedene Kund:innen hast du? Wie viele Wiederkäufe? Wie viel Umsatz machst du pro Mitarbeitendem und welche Marge erzielst du? Wie geht dein Unternehmen mit Problemen um? Wie erzeugt ihr Vielfalt und Motivation im Team? usw.
💪 Arbeit: Du hast bestimmt schon mal den Song “Cat’s in the Cradle” gehört und das war kürzlich wieder ein Weckruf für mich. In dem Song geht es darum, dass ein Vater nie Zeit für seinen Sohn hat und der Sohn dann genau wie der Vater wird und später auch keine Zeit für den Vater hat, als dieser alt ist. Ich finde das einen wirklich bedrückenden Gedanken und beobachte aber so oft, dass viele Unternehmer:innen der Arbeit gegenüber der Familie in hoher Frequenz den Vorzug geben – ganz im Gegensatz zu dem, was sie eigentlich oft glücklich macht.
🧘♂️ Wie wir Produkt-Minimalismus anstreben
Okay, du merkst, ich schweife ab, weil ich dir illustrieren wollte, auf wie vielen Ebenen wir uns eigentlich überlasten. Aber zurück zum Minimalismus beim Produkt: Als ich anfing, unser Community-Tool zu bestücken, merkte ich recht schnell, dass ich zu viele Features auf einmal umsetzen wollte. Aber wer alles auf einmal richtig machen möchte, macht nichts richtig. Deshalb haben wir jetzt ein paar Maßgaben:
Wir bemühen uns darum, bei der Entwicklung von Features sehr nahe an den Nutzer:innen zu sein, ihre Bedürfnisse gut zu verstehen.
Anschließend versuchen wir unsere Value Proposition hinter unseren Features sehr klar zu formulieren (“Wem lösen wir wie welches Problem?”)
Wir gleichen alle Funktionen immer an unserem Markenprofil ab.
Wir folgen der Maßgabe so wenige Features wie möglich, so viele wie nötig.
Wenn es gute Software gibt, die den Großteil unserer gewünschten Features abbilden kann, bauen wir es nicht selbst.
Wir denken jedes Feature auch immer von den Prozessen her. Wenn diese zu viel Komplexität liefern, setzen wir es nicht um oder vertagen es.
Wir lassen jedes Feature erstmal ein wenig atmen und schauen, wie es sich entwickelt – wenn es nicht angenommen wird, streichen wir es, wenn es verwildert, reduzieren wir die Komplexität und wenn es durch die Decke geht, intensivieren wir es.
Wir versuchen mehr Zeit auf die Erklärung der Funktionsweisen von Features zu verwenden – du kannst nicht zu viel kommunizieren.
Wir greifen bei der Entwicklung auf die Hilfe von Profis (z.B. Design Thinking, Ux, Design usw.) zurück, diese Investments zahlen sich später umso mehr aus.
Wir automatisieren die Prozesse, die ein Feature benötigt, nach Möglichkeit und setzen Tools ein, um die Arbeit daran aufwandsärmer zu gestalten.
Wir challengen Features über die Zeit regelmäßig.
Wir bemühen uns datengetrieben zu sein und stets zu schauen, wie unsere Produkte, wirklich angenommen werden. Was die Nutzer:innen auf der einen Seite sagen, aber auf der anderen Seite eben wirklich tun.
Ich bin kein Produktexperte, zum einen kann ich mir aber vorstellen, dass diese Anregungen dennoch hilfreich für dich sind und zum anderen starten wir demnächst auch eine Product-Reihe im Podcast 😇. Ansonsten findest du unten ja auch noch ein wenig Quellen. Oder kommentier doch auch selbst ein paar Tipps!
🙏🏻 Von wem haben wir hier gelernt?
Bei den heutigen Themen waren dies unsere ganz persönlichen Makers & Shakers:
👤 Mareike Kaczmarek – durch ihre Mahnung zu Minimalismus
👤 Karin Arnold – durch ihre Erfahrung, dass Geld eine Last sein kann
👤 Michael Ahlf – durch die Bereitstellung unseres Markenprofils
👤 Jonas Baum – durch seine wertvollen Product-Tipps
Leseempfehlungen:
📗 Essentialismus von Greg McKeown
🎙 Unsere Podcast-Learnings der Woche
1. Online-Food-Modelle in der Strategie-Analyse
Liefern bis an die Wohnungstür - was für die Pizzabestellung schon lange möglich ist, entwickelt sich auch für andere Produkte im Foodmarkt immer mehr zu einem Geschäftsmodell. Doch je nach Art der Ware gibt es entscheidende Unterschiede in der Struktur des Unternehmens.
👥 Gäste:
Jochen Krisch – Macher von Exciting Commerce – seine Themen: Branchenanalyse, Gründung
Alexander Graf – Gründer von Spryker – seine Themen: E-Commerce, Branchenanalyse, Gründung
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⚡️ Warum das wichtig ist
Im Food-Bereich schlummern riesige Umsatzpotenziale für Online-Ansätze und während diese auf der Kund:innen-Seite gewünscht scheinen, kommt erst langsam Bewegung ins Segment. Es lassen sich also noch neue Ansätze entwickeln, wenngleich die notwendigen Investments durchaus signifikant sein dürften.
🧠 Joëls Learnings zu Online-Food-Modellen
Wocheneinkauf: vermutlich das Segment mit der spannendsten Chance, wozu es jedoch große Warenkörbe benötigt – dafür werden eher geringe Anforderungen an die Lieferzeit gestellt, sofern eine gute Convenience gegeben ist
Mit Anbietern wie Edeka, Rewe, Picnic, Bringmeister, Flaschenpost, Oda, Knuspr oder Bringoo herrscht hier mittlerweile große Vielfalt, wobei sich gezeigt hat, dass "Pick from Store" nicht funktional zu sein scheint, während das Picnic-Modell wohl das gangbarste ist, da es die Lagerfrage und die damit verbundene Rentabilität der Lieferung zu lösen scheint
Quick Commerce: bietet demgegenüber eher geringe Warenkörbe und konzentriert sich eher auf Impulskäufe, wobei dem Modell letztlich die Zeit ausgegangen ist, obwohl es eine spannende Verhaltensänderung durch seinen mobile-first Ansatz bietet
Hierzulande fehlen die günstigen Arbeitskräfte, der Gini-Koeffizient ist zu hoch, sodass sich nicht so billig liefern lässt – folglich funktioniert Quick Commerce vermutlich eigentlich nur für preisunsensible Kund:innen und Warenkörbe ab 100 Euro
Lieferdienste sind im Food-Bereich eigentlich am meisten unterschätzt, dabei bieten sie die besten Möglichkeit zur Super-App, erlauben eine Vertikalisierung und Ausweitung und haben gleichzeitig die notwendige Infrastruktur für einen solchen Ausbau geschaffen
Mealkits als letzte Kategorie funktionieren eher als Nischenmarkt und bieten die Möglichkeit zu einer ganz eigenen Vertikalisierung
🔮 Ausblick in die Zukunft
Der Food-Bereich schreit eigentlich nach einem Ausbau und weiteren Ansätzen. Die nächsten fünf Jahre werden wir sicher noch einige Experimente und Weiterentwicklungen sehen. Aufgrund der Lagerkosten und Lieferanforderungen ist das Vorgehen hier nicht ganz einfach, aber auf Kund:innenseite ist ein Online-Angebot stark gefragt.
2. Die Digitalisierung der Otto Group
Als ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Otto Gruppe hat er die Digitalisierung bei Otto maßgeblich vorangetrieben. Rainer Hillebrand hat mit Otto Projekte wie Eventures, AboutYou und Project A ins Leben gerufen. Doch wie die wenigsten wissen, war diese Reise nicht immer einfach. Er berichtet von den Milestones, den Pain Points und erzählt ein Stück deutsche Digitalisierungsgeschichte.
👥 Gäste:
Rainer Hillebrand – Mitglied des Aufsichtsrats bei Otto Group – seine Themen: Beratung, Transformation
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⚡️ Warum das wichtig ist
Digitalisierung ist weiterhin die größte Aufgabe vieler (deutscher) Unternehmen und dort erfolgreiche Case Studies zu kennen, hilft bei der praktischen Umsetzung.
🧠 Joëls Learnings zur Otto Group
Die Coverage auf Top-Level war entscheidend, dort muss man es unbedingt wollen und mit aller Kraft durchsetzen, denn es entstehen durchaus hohe Widerstände mit Verteilungskämpfen und du brauchst dann den Sense of Urgency und diejenigen, die die Menschen motivieren
Es braucht einen langen Atem und Kontinuität in der Führung: bei Otto wechselte nicht alle 2 Jahre die verantwortliche Person, sondern Rainer Hillebrand hat das 20 Jahre lang (!) gemacht
Man begann mit dem Bestandsgeschäft, ging dann Investments ein und baute sich Netzwerk & Know-how auf – nach dem Motto "Wir irren uns empor" entstand so über die Zeit eine Fehlerkultur und Online zeigte so große Vorteile (günstigere Prozesskosten, geringere Fehlerquote usw.), dass die Sorge vor Kannibalisierung nie so stark war
Kulturveränderung war ein großes Thema, da es galt, den Wandel weg vom Feldherren-, hin zum Unterstützer:innen-Modell mit viel Freiheit zu gestalten, denn wenn die Menschen Angst kriegen, blockieren sie (was man auch nicht bei jedem gelöst gekriegt)
Otto hat sich für einen Greenfield-Ansatz entschieden – erst weil sie das Netzwerk und Know-how von extern brauchten und dann, weil Otto als Marke bei jungen, digitalaffinen Menschen nicht verfing und man sogar davon ausging, Otto selbst würde disruptiert und verschwinden
AboutYou war durch die andere Konfiguration zum Start (Techies, die nicht auf Retouren schauten, sondern wann sie Kunden profitabel kriegen) ganz anders ausgerichtet, was dann in den Otto-Konzern zurückwirkte
🔮 Ausblick in die Zukunft
Wie sagte Rainer Hillebrand so schön: "Transformation ist ein Weg, bei dem man nicht weiß, ob man ankommt und der eigentlich immer weitergeht." Otto ist zu einem Paradebeispiel für Transformation geworden und für diesen Weg auch weiterhin sehr gut gewappnet. Das Gespräch zeigte dabei dennoch, dass es nicht immer so einfach zuging, wie es von außen vielleicht anmutet.
🤩 Worauf du dich kommende Woche freuen kannst
📅 Mo 13.02. | Gesundheit & Digitalisierung mit Nikolay Kolev von Doctolib
📅 Mi 15.02. | LGBTQIA+ im Unternehmen mit Stuart Cameron von UHLALA
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